Die CEBIT erfindet sich (mal wieder) neu

Ein Kommentar von Roland Latzel

Viel Häme hatte die Messeinstitution CEBIT vor dem diesjährigen Relaunch geerntet. ‚Zu spät‘, ‚zu langweilig‘, ‚zu beliebig‘ waren nur einige der teilweise mitleidig, teilweise wehmütig bis kopfschüttelnd wirkenden Kommentare. Die Konkurrenz in Sachen Eventkonferenzen für die digitale Community und den Digital Lifestyle ist nun mal nicht gerade klein, ob man nun nach Berlin zur re:publica schaut, oder über den großen Teich nach Austin zur SXSW oder der CES in Las Vegas. Eine kleine Anekdote am Rande – erinnert sich noch jemand an den Streit zwischen den Machern der re:publica und der Bundeswehr? Man mag es gut oder schlecht finden – auf der CEBIT war die Bundeswehr mit einem eigenen Stand – samt Panzer – vertreten. Meiner Meinung nach mit klarem Fokus auf Recruiting.
Am Ende wird es sich zeigen, ob die Aussteller die Veranstaltung – das Wort Messe lassen wir mal bewusst weg – als erfolgreich für sich ansehen. Dass sich nach den immer weiter schwindenden Besucherzahlen der ‚alten‘ CeBIT etwas ändern musste, steht sicherlich außer Frage. Für den Mut, das Format komplett umzuwerfen und neu zu denken, gebührt den Machern erst mal eine Portion Respekt. Im Folgenden finden sich natürlich rein subjektive und persönliche Eindrücke des Events – ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder eine rein auf Fakten basierende Bewertung.

Die Spannbreite der Themen der CEBIT 2018 war enorm. Von den eher klassischen Business- Themen wie ERP, ECM & DMS, Hardware oder Channel & Distribution über aktuelle Trendthemen wie Influencer Marketing und Start-Ups (mit der CEBIT! Signals wurde mal so nebenbei eine Influencer Marketing-Konferenz aus der Taufe gehoben) bis zu den disruptiven Technologien von heute und morgen wie Blockchain, Drohnen, Augmented Reality, künstliche Intelligenz usw. Das ist durchaus ein extremer Spagat. Vielleicht zu extrem?

Bei den Zugpferden unter den Ausstellern hat sich auch einiges getan. Während Microsoft dieses Jahr auf eine Teilnahme verzichtet hatte, waren unter anderem Facebook, Vodafone, IBM, Salesforce und auch SAP im großen Stil mit dabei. Nicht nur mit einem ‚schnöden‘ Messestand, sondern teilweise auch mit echten Attraktionen auf dem nun deutlich erweitert genutzten Freigelände der Messe Hannover – im neuen CEBIT-Sprech d!campus genannt. Neben Livemusik und Street Food wurde hier der Festivalcharakter bis in die Nacht ausgelebt. Einen anderen Ansatz verfolgte die Telekom – gar keinen Stand hatte man vorzuweisen, dafür hostete man mit dem Digital Business Day am Donnerstag eine ganze Veranstaltungsreihe zum Thema Digitale Transformation.

Nicht ganz so im Rampenlicht, aber trotzdem nicht unerwähnt bleiben sollen auch speziell für den IT-Mittelstand lancierte Formate wie unter anderem der Summit Vernetzung! Die Zukunft des IT-Mittelstandes des Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrums IT-Wirtschaft (KIW). Das an Relevanz stetig zunehmende Thema IT-Security wurde am Messedienstag ebenfalls mit dem Cyber Security Summit bedacht, während das Zauberwort Kundenzentrierung mit dem Customer Centricity Summit am Donnerstag auf der CEBIT Einzug hielt.

Ein Zwischenfazit: die bereits angesprochene Spannbreite der Themen ist für den einzelnen Besucher sicherlich zu groß. Aber man kann schon behaupten, dass sich der an IT- und Digitalthemen interessierte (Fach)Besucher tatsächlich über die ganze Palette der Themen auf der CEBIT informieren kann. Vom ‚alten Hasen‘, der aus der ERP-Welt stammt und die CEBIT bereits seit Jahren besucht bis zum ‚Digital Native‘, dem die CEBIT bisher zu steif war und lieber auf die re:publica und lockere Bar Camps ging. Als Mittelständler wurden einem hier auch viele – teilweise wirklich spannende – Use Cases für die neuen, disruptiven Technologien präsentiert. Man konnte sich also tatsächlich nach einem neuen ERP umschauen und gleichzeitig darüber informieren, ob Augmented Reality den eigenen Service-Technikern im Außendienst die Arbeit erleichtern könnte oder man mittels Drohnen zwischen zwei Standorten regelmäßige Lieferflüge mit Ersatzteilen und Kantinenessen einrichten könnte. Ein Beispiel für Digitalisierungserfolge im Mittelstand, gar im Handwerk, gefällig?

Ist die neue CEBIT also total toll? Es gibt sicherlich noch Verbesserungspotential. Teilweise wirkten manche Bereiche des Geländes tatsächlich erschreckend leer. Vielleicht ist eine Woche Eventprogramm auf dem Gelände zu viel des Guten? Wie auch immer, die CEBIT befindet sich auf einem guten Weg. Der Spagat die ’seriöse Business IT‘ und die ‚kreativen Digital Natives“ zusammen mit disruptiven Technologien und Start-Ups unter einen Hut zu bringen, kann als recht gut gelungen angesehen werden. Eine fehlende klare Ausrichtung hinsichtlich der Zielgruppe der CEBIT nach der Neuausrichtung wird von einigen Kritikern bemängelt, vermutlich auch nicht ganz zu unrecht.

Hagen Rickmann, GF Geschäftskunden bei der Telekom eröffnete am Donnerstag den Digital Business Day mit einem Vortrag zum Thema Digitalisierung. Er zitierte darin den österreichischen Nationalökonomen Joseph Schumpeter mit dessen Aussage ‚Die Kraft von Innovationen führt zu seiner schöpferischen Zerstörung‘. Klingt erst mal sehr dramatisch, trifft aber die Wirkung von Innovationen sehr gut. In diesem Sinne – persönlich freue ich mich jedenfalls auf die CEBIT 2019.

Roland Latzel ist Director of Marketing bei der MailStore Software GmbH.



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