40 Jahre @ – Kleine Geschichte einer Ligatur

Ray Tomlinson feiert in diesem Jahr einen runden Geburtstag. Der amerikanische Computerpionier wird 70 Jahre alt, herzlichen Glückwunsch! Tomlinsons wichtigste Erfindung jedoch, die als Abfallprodukt seiner eigentlichen Arbeit an der ARPANET-Entwicklung für BBN in Cambridge entstand, findet seit 1971 Anwendung. Eine ziemlich lange Zeit allerdings nur in der reichlich hermetischen Hemisphäre von Wissenschaftlern und Militärs, vorwiegend in den USA – bis sich seit ungefähr 20 Jahren daraus parallel zum Internet ein Massenkommunikationsmittel entwickelte.

Ob der Jubilar denn tatsächlich der erste war, der den digitalen Postverkehr über Rechnernetze ermöglichte, ist umstritten. Er selbst sieht sich als Urheber von „the first network email“. Sicher hingegen ist, dass er das „at“-Zeichen als Identifikationsmerkmal einführte. Er nutzte es dazu, den Loginnamen von der Bezeichnung des Großrechners zu trennen, um mittels dieser Kombination eindeutige Adressen zu kreieren.  Daran hat sich im Prinzip bis auf den heutigen Tag nichts geändert. Doch woher stammt dieses seltsame Symbol eigentlich?

Die schriftsprachliche Verschmelzung der beiden Buchstaben a und t (wahrscheinlicher: a und d) ist schon bedeutend älter als der erste Computer. Wohl ist sie mittelalterlichen Mönchen geschuldet, denen wir die meisten Ligaturen verdanken. In ihren Schreibstuben und Kopierwerkstätten war Zeit auch schon ein kostbares Gut, jeder Trick zur Verkürzung der stupiden Tätigkeit des Abschreibens willkommen. Das lateinische „ad“ (dt.: zu) wurde irgendwann zusammengezogen. Als Symbol überlebte es in der Neuzeit auf der iberischen Halbinsel als Bezeichnung einer Maßeinheit (arroba), in deutschen Juristenkreisen fand es Anwendung zur Abgrenzung von Prozessparteien (im Sinne von „contra“).

Doch seinen Weg auf die Tastatur von Ray Tomlinson nahm es als „angelsächsisches kaufmännisches Wertzeichen“ (lt. Wikipedia) in der Bedeutung von „je“ oder „zu“ (four roses @ 15 pence). Als Relikt vergangener Zeiten war es 1971 noch auf dem „keyboard of the model 33 Teletype“ präsent, welches Tomlinson benutzte und so einen späten Siegeszug initiierte. Oder wie es das US-amerikanische National Public Radio gewohnt pathetisch formulierte: „Tomlinson is (…) responsible for the elevation of the @ sign from symbol to icon.

Nachtrag: Die Karriere des „@“ ist noch lange nicht auf ihrem Höhepunkt. Nachdem es vor 1971 fast vergessen war, seitdem jedoch zum meist verwendeten Zeichen des digitalen Zeitalters mutierte, ist es inzwischen gar im Museum gelandet. Nicht in irgendeinem zudem: Das New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) hat es im letzten Jahr in seine Sammlung aufgenommen.



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